Heute geht’s nach Samaria (Shomron)

Es ist uns etwas mulmig.*

*Wir wurden von einer Blogleserin gefragt, warum mulmig? Gestern, als wir Elias danach fragten, wie er die aktuelle Gefahr für eine Fahrt durch Samaria einschätzt, meinte er, ihr müsst vorsichtig sein, es wird immer wieder auf fahrende Autos mit israelischen Nummernschild geschossen und den Terroristen ist egal, wer das Opfer ist. Hinzu kommt, dass aktuell wieder ein terroristischer Rammangriff war, wo also gezielt das Auto als Waffe benutzt wurde. Ein Geschehen, dass vor vielen Jahren die Familie traumatisch erfahren musste, die wir heute besuchen wollen. Familie Dr. Yehudah Bohrer verlor eine ihrer Töchter, als diese mit ihren 2 Kindern im Wagen unterwegs war. Ihr Wagen wurde gezielt gerammt, sie starb dabei, als ihr Wagen im Gebirge von der Straße abgedrängt wurde. Die Kinder überlebten. Um so wichtiger ist uns daher, uns im Gebet bewusst unter den Schutz Gottes zu stellen.

Dabei haben wir mit der heutigen Losung, eine klare biblische Vision für Israels Zukunft: „Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.“ Psalm 126,1

Um 10 Uhr sind wir mit Helen Bohrer verabredet, der Witwe Yehudahs. Wir haben über andere erfahren, dass sie aktuell bei ihrer Familie in Talmon lebt. Und über ihre Tochter Bat Ami (übersetzt: Tochter Seines Volkes) den Termin vereinbart. Also 9 Uhr los, vorher müssen wir noch tanken.

Samaria/Schomron, jüd. Verständnis , siehe: https://www.audiatur-online.ch/2021/08/23/warum-sollten-wir-judaea-und-samaria-anders-nennen/

Unterwegs

Wir kommen gut durch. Ulrike nutzt mit einem Handy „waze“, mit dem anderen „Google maps“.

Unsere Strecke. Für Google fahren wir durch die Levante, nicht Samaria

Bat Ami ist völlig irritiert, dass wir schon da sind, als wir vor der Tür stehen. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass wir ohne Anruf von unterwegs bei ihnen ankommen. Und tatsächlich Helen sitzt im Wohnzimmer, ganz Dame, wie immer, welche Freude!

Sie erklärt mir, dass sie eigentlich vor 3 Monaten nur zu Besuch bei ihren Kindern hier angekommen sei und bislang jeden Tag dies einfach verlängert. „Denn in Beth- El bin ich ja ganz alleine im Haus!“ Das Ehepaar Bohrer hatte 6 Kinder. Und allein Bat Ami hat schon 8 Kinder, weitere Kinder wohnen in Nachbarsiedlungen. Wieviel Enkelkinder, bzw. Urenkel sie jetzt hat, kann Helen gar nicht sagen. Gut, dass wir uns für unser Gespräch darauf einigen können, wir sprechen mit ihr deutsch und sie antwortet auf englisch. Helens Mutter, war in Nordheim geboren, hat Deutschland gerade noch mit dem letzten Schiff von Hamburg aus nach Amerika verlassen. Ihr Vater kam aus Geldern bei Frankfurt. Sie heirateten in Amerika, wo Helen 1940 in New York geboren wurde. Sie wuchs in einer Atmosphäre auf, in der der Holocaust ständig in Gesprächen und Begegnungen auf allen lastete und sich auf alles bedrückend legte. „Diese Erfahrung konnte ich nur mit Menschen meiner Generation in Israel ansprechen, weil jeder den anderen verstand, wie sich das anfühlte. Mit den eigenen Kindern ist das nicht so besprechbar“. Tochter Bat Ami hört mit einem Ohr zu, ist aber gerade noch am Laptop mit beruflichen Dingen beschäftigt. Als sie dazu kommt, erinnern wir uns, dass wir per Mail Kontakt hatten, als es um das Buch ihres Vaters ging, bei dessen Herausgabe wir gemeinsam mit den Sächsischen Israelfreunden arbeiteten. Sie hatte sich um das Design gekümmert. Und Felicitas Kugel, unsere Übersetzerin, hat sie auch kennengelernt, als sie zur Buchbesprechung vor Ort war. Das besondere Buch ist immer noch zu erwerben, siehe hier: https://israelladen.de/buecher-mehr/buecher/nachschlagewerke/2195/dr.-yehuda-bohrer-spuren-des-hoechsten

Bat Ami ist interessiert an dem Motiv unserer Vereinsarbeit, unserer Reise, dem Blog, aber auch wie wir die Situation in Deutschland und gerade in Beziehung zu Israel einschätzen. Dabei streifen wir das Thema „Umgang mit dem Holocaust“ und sie beschreibt ihre Schwierigkeit, als Teil der 2. Generation, wie diese Gefühle ausgedrückt werden können. Und das Massakergeschehen des 7. Oktobers und der Umgang mit diesem Trauma bei ihr eine Ahnung von dem hat aufleuchten lassen, wie es ihren Eltern damals ergangen sein kann. Plötzlich bekommt das Thema kurz gemeinsam Raum.

Nachdem wir noch mit selbst hersgestelltem Crunchy-Müsli und Dinkelknäcke beschenkt werden , das sie eigentlich für ihre 5 Kinder, die im Krieg kämpfen (was sich auf den Schlaf der Eltern auswirkt), gemacht hat, weil es nahrhaft ist und sich gut hält. Wir machen noch ein gemeinsames Abschiedsfoto im Garten.

Bat Ami hat noch einen beruflichen Termin und daher arrangiert sie, dass freundlicherweise ihr Ehemann Ran Krigman (55), uns mit dem Jeep auf eine Aussichtsplattform auf den Berg „Harasha“ fährt. Vom Garten aus blickt man auf ihn.

Eine echte Survivaltour den Berg rauf.

Oben haben wir einen umfassenden Blick auf unterschiedliche neue Siedlungen.

Auf dem Rückweg wartet Ran extra auf uns vor dem Lädchen der Siedlung, damit wir 3 Tüten Süßigkeiten für die Soldaten kaufen können, die wir danach auf der Basis in Anatot aufsuchen wollen.

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Im Laden jobben 2 Jugendliche an den Kassen. Als Ulrike die Mengen an Süßigkeiten bezahlt, erklärt sie, dass wir dies Soldaten bringen wollen. Da spricht mich der andere an: woher wir kommen? Und wie wir hergekommen sind? War das Fliegen nicht etwas unheimlich? Ich antworte ihm und frage im Gegenzug, ob er schon geflogen sei? Das negiert er und meint, „wir leben hier in Israel und sind eine große Familie!“

Stellungnahme des Staates Israels und der rechtlichen Situation der Siedlungen in Judäa und Samaria, s. https://embassies.gov.il/dublin/AboutIsrael/history/Pages/Judea-Samaria-.aspx

Eine Karte über die umstrittenden Gebiete, die wir Judäa und Samaria nennen und weitere Informationen zu diesem Thema, siehe: https://cfoic.com/settlement-map/

Wir verabschieden uns von Familie Krigman und Helen. Bedanken uns für die herzliche Gastfreundschaft und laden sie zu uns nach Hamburg ein, denn Bat Ami trainiert Triathlon.

Nun machen wir uns auf den Weg zu Rachel Levy (22). Sie ist gerade von einem Monat Familienbesuch in Deutschland zurück und dient seit Februar auf einer Basis in Anatot, Judäa, nahe Jerusalems. ZUvor war sie in unterschiedlichen Orten stationiert. In der Zeit des 7. Oktobers sogar auf einer der Basen, die von Terroristen überfallen worden waren. Sie hatte an diesem Schabbat Urlaub. Als sie zurück zur Basis kam waren einige ihrer Kollegen ermordet. Vor einigen Wochen hatte sie uns zu Ihrer Willkommens-Party in HH – Eppendorf eingeladen. Mit ihrem Eltern sind wir befreundet. Gestern hat sie sich telefonisch bei uns gemeldet und wir haben kurzfristig das heutige Treffen auf ihrer Basis mit ihr abgemacht.

Unser Weg nach Anatot

Auf der Fahrt überlegen wir, ob uns der Name der Basis „Anatot“ aus der Bibel bekannt ist. Ulrike meint, ein Prophet lebte dort. So fällt mir der besondere Roman von Franz Werfel, „Höret die Stimme“ wieder ein, den ich vor einiger Zeit las. Er beschreibt darin das Leben des Propheten Jeremia, der in Anathot geboren wurde. Das Buch kann ich empfehlen.

Wir parken vor der Basis und Rachel holt uns dort ab.

Aktuell ist sie inoffiziell für unseren Besuch von ihrer Bereitschaft auf der Wache freigestellt. Auf dem linken Bild eine Soldatin in voller Montur (sie trägt, wie alle eine schusssichere Weste mit herausnehmbaren Keramikplatten). Sie sind auf dem Weg zum Überwachungsdienst an Kreuzungen, d.h., hinter Betonmauern mit Gewehr im Anschlag. Rachel ist die ganz Zeit unseres Treffens wachsam und kontrolliert jede Meldung am Handy, ob ein Einsatz gemeldet wird. Der aktive Teil im Muckibereich (Foto, re.) gehört zum wöchentlichen Pflichtprogramm. Als Kommandantin, sie hat die Ausbildung dazu absolviert, muss sie bei ihren Soldaten dies kontrollieren und abzeichnen, denn sonst können diejenigen nicht am Wochenende nach Hause. Da Rache, sogenannte „Lone Soldier“ ist, also ohne Familie im Land, lebt sie an ihren freien Tagen in Ra´anana (Stadt in Zentralisrael) in einem Haus für speziell diese Gruppe, in einem kleinen Appartment.

Rachel berichtet von einem Fall eines ihrer Einsätze, wo sie als Absicherung bei einem Einsatz mit häuslicher Gewalt hinzugezogen wurde. Dort vor Ort, wo der Täter nicht so einfach anzutreffen war, wurde ein Nachbar auf sie aufmerksam und wollte dann aufgeregt von ihnen wissen, was sie hier zutun haben. Seine Sorge, sie unterrichten eine Familie, dass ein Anghöriger gefallen sei. Eine Angst, die vielen im Land eine große Sorge ist.

Auf unsere Frage, womit sie rechnet, wenn in kommender Zeit der Krieg im Libanon gegen die Hisbollah beginnt? Sie geht davon aus, dass dies geschieht. Sie wird schon als Reservistin geführt und denkt auch, dass dann ihre Rescue-Einheit nach Norden versetzt wird.

Gruß von Rachel als wir zurück sind

Und dann unsere Geduldsprobe: Die Rückfahrt nach Jerusalem endet in einem Megastau mit Sperrungen und kein Hineinkommen in unsere Straße. Anderthalb Stunden fast nur im Stau stehend, stellen wir unser Auto entnervt in ein Parkhaus. Der Grund ist die Pride-Parade 2024. Aufgrund des Krieges wurde sie in Tel Aviv abgesagt. Riesiges Polizeiaufgebot, Helikopter kreisen stundenlang, Menschen strömten. Das Zentrums Jerusalems war Stunden zuvor abgesperrt worden. Kosten für uns: 20€ Parkgebühr im Parkhaus.

Tps-il berichtet: Jerusalem, 30. Mai 2024 (TPS) – Religiöse Israelis protestieren gegen die jährliche Gay-Pride-Parade in Jerusalem. Hier sind sie bei einer Demonstration am Haupteingang der Stadt zu sehen. Orthodoxe Juden glauben, dass Homosexualität eine Sünde ist.