Jeder Tag hat seine eigene „Katastrophe“

Vormittags machen wir uns zu Fuß in Tel Aviv auf den Weg. Der Gedenkplatz für die Geiseln beim Kunstmuseum ist die erste Station.

Damit es hier zu sehen ist, habe ich es auf unseren YouTube Kanal gestellt.

Überall im Land wird das Thema der Not der Geiseln und ihrer Familienangehörigen aufgegriffen. Auch ein Teil des sich Stellens, der Aufarbeitung des Traumas des 7. Oktober, des „schwarzen Schabbat“, das auf dem ganzen Volk und Land lasstet.

In Israel hat das Geschehen des Massakers sich tief auf die Seele des Volkes gelegt. So viele Tote und Verletzte an einem Tag und dass durch einen umfangreichen, lange geplanten terroristischen Überfall ins eigene Land, ohne das die IDF vorbereitet war. Und alle scheinbare Sicherheit sugerierende Technik hatte versagt – traumatisch. Und immer noch sind Geiseln in Gaza gefangen und täglich wird ihnen Gewalt angetan, immerhin im 8 Monat. Im Westen, wie bei uns in Deutschland ist, ist diese Tragweite überhaupt nicht wirklich verstanden. Im Gegenteil, eine Sorge um die Zivilisten Gaza treibt viele um. Ein Fall von Täter- Opfer Umkehr. Hier berichtet jetzt eine Geisel, die aus der Hand der Terroristen fliehen konnte, davon, was tatsächlich der 7. Oktober `23 auch heute noch für Israelis bedeutet, besonders, wenn wie bei ihm die eigene Schwester den Folterern in Gaza weiterhin ausgeliefert ist.

Weiter laufen wir durch Tel Aviv Richtung Carmelmarkt mit vielen Eindrücken und dann auf die Promenade zurück zu unserem Appartement.

Nachmittag geht’s nach Holon zu David Murlakov. David, Holocaustüberlebender, 101 Jahre, hat lange in Hamburg mit seiner Partnerin Helga Grünbaum gelebt. Seine Biografie haben wir (Christliche Israelfreunde Norddeutschland, HH e.V.) im Verlag Hartung- Gorre, sowohl auf deutsch, wie auf englisch heraus gegeben.

Siehe: http://www.hartung-gorre.de/Murlakow.htm

Jetzt besuchen wir ihn in seinem schönen Altersheim.

Sein Betreuer „Shlomo“ erwartet uns am Eingang. Und wir fahren gemeinsam in den 2. Stock, wo David uns schon erwartet. Ganz der Alte. Und nachdem wir unsere Mitbringsel: Bücher von ihm (zum Verteilen an für ihn wichtige Personen) und Romane in dt. Sprache, (von seinem Sohn für ihn bestellt), wie Tüten seines beliebten Milchreis und natürlich Post von „seiner“ Hamburger Adresse. Erleichtert stellt er fest, dass beim Rentenbescheid alles okay ist.

Auf der Weiterfahrt zu unserer Essenseinladung am Abend nach Rechovot, ca. 20 Min. Fahrt, ereilt dann uns die „Katastrophe“.

Es ist Rush Hour, der Verkehr heftig auf allen Straßen, da fällt plötzlich das Navi aus. Unsere sonstige Möglichkeit auf 2 Handys, einmal mit „google maps“, bzw. „waze“, ist vorbei. Dass wegen des Kriegs das GPS bewusst gestört wird, haben wir bislang nur im Norden erlebt. Hier im Raum Tel Aviv trifft es uns mit voller Wucht, denn als Hilfe zur Straßenkarte zu greifen, ist im Gewimmel nicht hilfreich. Nach 2 Stunden Irrfahrt geben wir auf, die Verabredung in Rehovot abgesagt.

Für mich ist das hoch symbolträchtig, wenn in unserer Zeit der moralische Kompass, unsere inneren Werte auf den Kopf gestellt werden – wie es aktuell weltweit geschieht – dann haben wir die Katastrophe und die ist in ihren Konsequenzen viel weitreichender.

Mein (Ulrike) Erleben in dieser Stadt: Jegliches Achtsamkeitstraining ist nichts gegen das Überlebenstaining in Tel Aviv. Von allen Seiten E-Roller, Autos, Motorräder, Menschen…..rote Ampeln, kein Problem….Spurwechsel, kein Problem…..Hupen, kein Problem…. So schnell kann ich nicht schauen. Diese Stadt brodelt 7/24. Noch um 24 Uhr sitzen die Menschen dicht gedrängt in den Straßenlokalen.

Heute machen wir uns auf den Weg nach Tel Aviv

Wir verabschieden uns von Hannah, die uns noch berichtet, dass Meira die Begegnung am gestrigen Abend gut getan hat. Die Navieinstellung hier im Norden Israels ist so eine Sache. Wegen der Kriegssituation wird GPS bewusst gestört, um den Feinden verständlicherweise keine Vorteile zu verschaffen. So sieht dann unsere Route aus.

So fahren wir am Berg „Arbel“ vorbei

über Tiberias zum Hofladen des Kibbuz Kinneret lieber mit unserem alten Straßenatlas.

Nach dem Einkauf wichtiger Gewürze geht’s weiter. Unsere nächste Station ist Bet Yitzhak bei Netanya. Wir sind gespannt, ob wir noch unseren früheren Reiseführer „Dani“, Dan Goren antreffen werden. Alle unsere Versuche der Kontaktaufnahme bei der Planung unserer Reise sind fehlgeschlagen. Aber der Weg dorthin ist eine Abfolge von Durchqueren von Baustellen. Man könnte denken, dass wir von Hamburg darin geübt wären, aber hier ist das noch eine andere Liga. Israel ist nicht „nur“ im Krieg, es ist eine große Baustelle. Aber wir finden Danis Adresse wieder und tatsächlich, jetzt 99 jährig, berichtet er uns, dass er selbst erstaunt ist, solch ein Alter zu erreichen.

Von Simon, seinem „Betreuer“, der seit einigen Jahren nun bei ihm im Haus mitlebt, wie in Israel üblich, erhalte ich dessen neue Telefonnummer, um einen Kontakt zu haben. Dani hat kein eigenes Handy mehr und schläft viel am Tag. Aber er hat uns erkannt, wir haben Erinnerungen ausgetauscht und uns aneinander gefreut.